Töne wie perlende Wassertropfen

Daniela Lorenz aus der Schweiz spielte vor 180 Gästen in Holm die Paraguay-Harfe. Gastgeber Jan-Ulrich Bernhardt verriet, wie er als 19-Jähriger in diesem Land die große Liebe fand

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In den Anblick tänzelnder Finger auf schwingenden Saiten und den Klang glockenheller Töne über rhythmischen Bässen kann man versinken. Das Harfenspiel spricht das Auge nicht weniger als das Ohr an. Bei einem Konzert folgen Zuhörer in den ersten Sitzreihen unweigerlich dem Blick der Instrumentalistin auf ihre schnellen Fingerläufe.

Die Schweizer Musikerin Daniela Lorenz stimmte am Freitag in Holm an einer Paraguay-Harfe südamerikanische Befreiungs-, Liebes- und Sehnsuchtslieder an. „Die Harfe ist in Südamerika ein sehr volkstümliches Instrument“, sagte sie. Es wiege nur vier Kilogramm, lasse sich im Stehen bespielen und gut transportieren.

Auf Reisen durch den Kontinent hatte sie sich daran ausbilden lassen. Zwischen den 17 Stücken berichtete sie aus ihrer großen Kenntnis der Kultur, Geschichte und Landschaft Paraguays sowie seiner Nachbarstaaten. An die Wand des Foyers der Firma Bernhardt Apparatebau warf sie historische und aktuelle Fotos der Einwohner und ihrer Instrumente, der Seen, Wasserfälle und Berge. „Ich bin in der Schweiz aufgewachsen. Beim Anblick der Bergseen fühle ich mich immer heimisch“, sagte die in Rom lebende Musikerin. Etwa 180 Gäste hörten und sahen zu.

Die Paraguay-Harfe wird mit den Fingernägeln gezupft. Mit der rechten Hand brachte Daniela Lorenz aus kurzen durchsichtigen Nylonsaiten reiche hohe Tonfolgen hervor. Sie klangen so klar und rein, wie Wassertropfen im Sonnenlicht schimmern. „Wasser ist ein Element, das sich gut auf die Harfe übertragen lässt“, sagte sie. Unter ihrer linken vibrierten lange weiße, rosa- und türkisfarbene Stränge in tiefen Akkorden. Die in Zürich ausgebildete Musikpädagogin betonte, dass sie sich während des zweistündigen Konzerts ganz auf ihr Gedächtnis verlassen muss. Denn Harfen werden ohne Noten gespielt.

Die Jesuiten brachten das Instrument im 16. Jahrhundert nach Südamerika. „Es ist der einzige Kontinent, auf dem die Kolonisation etwas Neues erbracht hat“, erläuterte Daniela Lorenz. Die Sklaven aus Afrika hätten ihre Rhythmen, die Europäer Harmonien mitgebracht, die in der Musik der Indios bis dahin nicht vorkamen. Es entstanden romantische Lieder und temperamentvolle Hymnen auf die Volksrebellen.

Daniela Lorenz trug verschiedene Stile wie einen selbstkomponierten Tango, die temperamentvolle Polka, den melancholischen Guarania und Mischformen daraus vor. Da ihr Auftritt ohne Gesang auskam, fasste sie den Inhalt der Stücke jeweils zusammen.

Das Lied „El Pájaro Chogui“ etwa gibt die Legende vom „Blauen Spatz“ wieder: Beim Fallen von einem Baum stirbt ein Kind und verwandelt sich in den Armen der Mutter in einen Vogel. Das Stück „El condor pasa“ stammt aus einer Oper über unterdrückte Minenarbeiter. Seine Melodie wurde in der Version des Duos Simon & Garfunkel weltberühmt. „Reservista Purahei“ handelt von einem Soldaten, der den jüngsten Krieg Paraguays gegen Bolivien in den Jahren 1932 bis 1935 überlebte. Er kehrt mit der bangen Frage heim: Hat seine Liebste auf ihn gewartet? Die rasante Polka „Carreta Guy“ beschreibt, wie ein Fuhrmann unter seinem Karren eine Hängematte aufspannt, um dort eine Siesta einzulegen.

Daniela Lorenz stellte die Widersprüchlichkeit des Landes Paraguays heraus. Auf der einen Seite leben Indios in Armut und ohne Abfall zu produzieren. „Sie sind aber viel zufriedener als die zivilisierte Menschheit“, so die Musikerin. Auf der anderen Seite unternehme der Staat nichts gegen Armut und mangelnde Bildung.

Die Widersprüchlichkeit der südamerikanischen Rhythmen bekam das Publikum am eigenen Leib zu spüren. Während Daniela Lorenz mit der rechten Hand einen Dreiviertel- und mit der linken einen Zweiviertel-Takt spielte, sollten die Zuhörer dasselbe klatschend in zwei Gruppen nachahmen.

Den Gastgeber und Firmen-Chef Jan-Ulrich Bernhardt verbindet eine ganz besondere Geschichte mit Paraguay. Nach dem Abitur 1967 fuhr er auf einem Stückgutfrachter von Hamburg nach Argentinien. Der 19-Jährige wollte dort ein Volontariat absolvieren. Als einzige weitere Passagierin war ein junges Mädchen namens Eleonore an Bord gegangen. Sie stammte als Tochter russischer Einwanderer aus der Mennoniten-Hochburg Filadelfia in Paraguay. Nun kehrte sie nach dreijähriger Ausbildung zur Krankenschwester in Deutschland heim.

22 Tage dauerte die Überfahrt. Die einzigen beiden Passagiere heirateten zehn Jahre später. Bei dem Konzert saß Eleonore Bernhardt im Publikum. „Ich bin eigentlich mit einer Harfe verheiratet“, bemerkte Jan-Ulrich Bernhardt.

Der Erlös des Konzerts kommt dem Verein für Kriminalitätsopfer „Weisser Ring“ im Kreis Pinneberg zugute. [Jan-Hendrik Frank/kommunikateam, 29.3.2015]

www.secumar.com
www.daniela-lorenz.ch

Letzte Änderung: 17.12.2019

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