Der Küste und Wedel unlöslich verbunden: Gerhard West

Portrait Gerhard West
Gerhard West - seine Leidenschaft für Kunst vermittelte der Lehrer auch an viele Generationen von Schülern., Gerhard West
Nicht nur auf Leinwand, sondern auch auf Porzellan zauberte der Künstler wunderschöne Motive.

Ungezählte Wedeler erinnern sich an Gerhard West – kein Wunder, denn er hat jahrzehntelang als Grundschulpädagoge in der Stadt gearbeitet. Aber daneben gibt es noch andere, die sich gut an ihn erinnern: Mitglieder vor allem seiner eigenen Generation, die ihn nicht als Schüler, sondern als Maler von Küsten- und Schiffahrtsmotiven kennen und schätzen gelernt haben.

Dem Malen, Zeichnen, Aquarellieren galt seine große Leidenschaft, weil er darin zum Ausdruck bringen konnte, was er sah und empfand. Man wird nicht fehl gehen, zu vermuten, dass er in all den Jahren als Pädagoge auch manchen Schüler, manche Schülerin zum Umgang mit Stift und Pinsel ermuntert hat.

Dabei finden sich diese Konstanten, die sein Leben wesentlich mitgeformt haben, schon in der Kindheit. West, im Januar 1922 in Rostock zur Welt gekommen, ist Sohn eines Kunst- und Antiquitätenhändlers sowie Auktionators. Dass sich die Welt sowohl anschauen als auch wiedergeben lässt, ist ihm also früh klar. Nach dem Besuch des Gymnasiums ist an Ausbildung oder Studium zunächst nicht zu denken, denn der 2. Weltkrieg fordert ihn. Erst danach kann er sich, der sich 1945 in Wedel niedergelassen hat, an der Universität und an der Landeskunstschule am Lerchenfeld einschreiben. Auf das Staatsexamen 1950 folgen erste Erfahrungen mit dem Schuldienst, doch bald lässt er sich freistellen, um als Restaurator und Maler tätig sein zu können – und nach Möglichkeit mehr Geld nach Hause zu bringen als das magere Lehrergehalt. In diesen Jahren fährt der „norddeutsche Jung“ auch selbst zur See.

Nach dem Wiedereintritt in den Schuldienst hat er sich bis zu seiner Pensionierung in den späten 1980er Jahren die Ausbildung immer neuer Generationen junger Wedeler angelegen sein lassen. Aber wenn ihm etwas mindestens ebenso wichtig war, dann war das seine Malerei, der Drang, die Welt so wiederzugeben, wie er sie sieht und fühlt. Seine Motive fand er sozusagen vor der Haustür, denn in ungezählten Bildern spielen Wasser, Küste und Schiffe die Hauptrolle. Er zeigt sich dabei wesentlich vom Impressionismus geprägt: „Ich male, was ich erlebe, und nicht nur, was ich sehe“, hat er dazu einmal gesagt. Nicht wenige seiner Motive weisen zurück in die Kindheit, nicht selten hat der Betrachter den Eindruck, dass West, ähnlich wie eine Generation vor ihm Rudolf Höckner, das Gesehene in einem individuellen Sinn ausdeutet, das ihn Störende dabei weglässt und auf diese Weise eine „Realität“, die es so weder gab noch gibt. Das geschieht weniger, um eine „gute alte Zeit“ zu glorifizieren, sondern eher, um mit leisen Tönen auf das Eigenwillige, Besondere, Originelle, Unersetzbare hinzuweisen. Wie es jemand tut, der mit jeder Faser lebt und doch von der Vergänglichkeit weiß. Wie es jemand tut, der ganz in seiner Region aufgeht und dem der tägliche Wandel Anlass sowohl zu Kummer als auch zur Freude ist.

In mancher guten Stube der Rolandstadt dürfte bis heute „ein echter West“ hängen. Was darüber hinaus nur wenige wissen, weil er sich von diesen besonderen Stücken kaum trennen mochte: Er hat auch Porzellan mit seinen typischen Motiven bemalt, zumeist im Auf-Glasur-Brand. Die meisten dieser Stücke sind im Familienbesitz geblieben. Sein Sohn Ole West hütet eine beträchtliche Zahl dieser Tassen als Erinnerungsstücke – und erinnert sich an den komplizierten Arbeitsprozess: „Die Farben wurden Schicht um Schicht aufgetragen und jedesmal wieder gebrannt“, berichtet er, „so hat er sich langsam vom Hinter- in den Vordergrund des Motivs vorgearbeitet.“ Die Motive sind die gleichen wie die der Leinwand-Malerei: Küstenszenen, historische Motive und immer wieder Schiffe.

Zu seinen letzten öffentlichkeitswirksamen Arbeiten gehörte die Bemalung der den Schulhof umgebenden Mauer an der Altstadtschule, als er längst im Ruhestand war. Diese Arbeit mit vereinfachten kindgerechten Motiven aus dem Wedeler Stadtbild ist mit dem Erweiterungsbau der Altstadtschule vor einigen Jahren auch wieder den Weg alles Zeitlichen gegangen. Aber seine leisen, wenngleich häufig von kräftigem Farbauftrag dominierten Bilder sind noch da und erinnern an ihn – und an die Mahnung zum rücksichtsvollen Umgang mit Dingen und Menschen, die gerade die leisen Bilder laut und deutlich formulieren. (Carsten Dürkob)

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