Adventskalender 2022 - Zeitreise in das Wedel der 1950er Jahre

"so war das damals!" - Das Stadtarchiv Wedel nimmt Sie mit in die 1950er Jahre

Die 1950er Jahre bedeuten Wiederaufbau und Wirtschaftswunder, aber auch Wiederbewaffnung. Die Wedeler feierten gern und ausgelassen, lebten aber teilweise noch in Baracken. Schulen mussten schnell erbaut werden, da die Bevölkerung rasch anwuchs. Im öffentlichen Dienst galt die 45-Stunden-Woche und die Beschäftigten arbeiten auch am Samstag. Moto-Cross-Rennen in der Kies­grube von Otto Dörner an der Holmer Straße zogen zahlreiche Schaulustige an.
An jedem der Adventssonntage 2022 wird Sie das Stadtarchiv Wedel in ein Themenfeld der 1950er Jahre entführen. Kommen Sie mit!

Das Stadtarchiv Wedel wünscht ein frohes Weihnachtsfest!

Vierter Advent

Mobilität und Schule in den 1950er Jahren

Die Verkehrssituation in Wedel ist entspannt, die Zahl der PKWs, die an den Wedeler Tank­stellen (Elbstraße 45, Rissener Straße 67 und 89) betankt werden müssen, ist noch überschaubar. Neben den Tankstellen haben auch einige der Autoreparaturwerkstätten wie Witthöft in der Bahnhofstraße, Ketel an der Rolandstraße und das Autohaus Wedel im Rosengarten Treib­stoff im Angebot. Von den rund 8.950 Arbeitsnehmern Wedels gibt es etwa 3.800 Pendler, die zumeist mit der im Jahr 1954 elektrifizierten S-Bahn, nach Hamburg fahren. Die S-Bahn verkehrt in den 1950ern wochentags zwischen 5.14 Uhr und 23.14 Uhr in einem Takt zwischen 15 oder 20 Minuten. Diesem Takt hat sich der innerstädtische Busverkehr des Kraftverkehrsunternehmen Reimer angepasst. Eine Buslinie verkehrt vom Bahnhof über Dop­peleiche und Goethestraße in der Gartenstadt Elbhochufer, eine weitere Linie führt vom Rathaus zum Krankenhaus. Darüber hinaus fährt ein Bus, der die Verbindung nach Holm, Hetlingen und Haseldorf gewährleistet. Dieser ist etwa 8-mal werktäglich, an Sonntagen hingegen nur 6-mal unterwegs. Zudem gibt es werktäglich einmal vormittags den Behördenbus in die Kreisstadt Pinneberg. Daneben gibt es die Post-Omnibuslinie von Elmshorn zur Fähre Schulau mit besonderen Kraftpost-Haltestellen. Diese Linie wird insbesondere von Wedeler Gymnasiasten genutzt, die nach Uetersen zur Oberschule fahren.

Regelschule ist die acht-klassige Volksschule. Die Schüler gehen in die Schule ABC-Straße, die Altstadt-Schule, die erst wenige Jahre zuvor am Rosengarten errichtete Theodor-Storm-Schule oder ab Sommer 1957 in die Albert-Schweitzer-Schule. Darüber hinaus können gute Schüler nach einer bestandenen Aufnahmeprüfung auch die Mittelschule Ernst-Barlach-Schule besuchen. Um lernschwache Kinder kümmert sich der Lehrer der Pestalozzi-Schule in der Organistenstraße. Die Kinderbetreuung für die noch nicht schulpflichtigen Kinder liegt ausschließlich in der Hand der Kirchen, denn nur die katholische Kirche und die evangelisch-lutherische Kirche unterhalten Kindergärten.

Dritter Advent

Leben und Arbeiten

Die Wohnsituation ist noch immer angespannt. Zahlreiche Wedeler, evakuierte Hamburger, aber auch Flüchtlinge, die in Wedel Schutz gesucht hatten, wohnen noch immer in den Barackenlagern, die im Krieg errichtet wurden. Das heftige Bombardement am 3. März 1943 hatte im Ort zahlreiche Gebäude vernichtet und zwischen den Ruinen fanden sich noch immer Blindgänger der Bomben. Es gilt noch die Wohnraumbewirtschaftung, daher meldet das Wohnungsamt 1957 noch 1.741 Personen, die Wohnraum suchen. Mit einem großen Kraftaufwand setzt das Bauamt die Wohnungsbauprogramme um, erste Erfolge sind bereits erkennbar. So gibt es zahlreiche Neubaugebiete, die durch Siedlungsgenossen­schaften und Wohnungsbaugesellschaften erstellt werden, u.a. an der Lindenstraße, am Schützenkamp, am Pöhlenweg, oder der Gorch-Fock-Straße. Das größte Bauprojekt Wedels aber war ist Gartenstadt Elbhochufer, die ab 1954 gebaut wird, und vielen Menschen eine Heimat bietet.

Einher mit dem angespannten Wohnungsmarkt gehen Probleme am Arbeitsmarkt. Daher wird über ein besonderes Wirtschaftsförderungsprogramm Hunderte von Wohnungen in Wedel errichtet, die den Spitzenkräften der heimischen Wirtschaftsbetriebe zur Verfügung gestellt werden können. Hier tut sich großer Bedarf auf bei Firma Telefunken, die um 1957 415 Mitarbeiter zählt, aber auch bei KUBAH Möbelfabrik, die 240 Mitarbeiter hat. Die beiden größten Arbeitgeber sind allerdings die Feinstrumpfwirkerei Richard Wieschebrink (Bel Ami) mit 841 Mitarbeitern und die Optischen Werke J.D. Möller mit 675 Beschäftigten. Neben den Industriebetrieben wirtschaften in der Stadt noch einige Landwirte, die sowohl Ackerbau als auch Milchwirtschaft betreiben. Der Haidehof ist der wohl größte landwirtschaftliche Betrieb, aber u.a. auch Berend Langeloh und Julius Röttger aus der Schauenbur­ger Straße sowie Köhler aus der Organistenstraße liefern ihre Milch an die Wedeler Meierei im Rosengarten.

Kein Problem hingegen ist es, sich für den täglichen Bedarf an Lebensmitteln einzudecken. Es gibt zwar noch keine Supermärkte, aber es gibt verteilt im Stadtgebiet zahlreiche Milchge­schäfte und kleine inhabergeführte Lebensmittelläden, darunter auch Ladengeschäfte von Spar oder der PRO. Es gibt die Schlachterläden von Hardorp, Hilbert, Höpermann, Kleinwort und Lieker. Kleidung und Textilien können in den Kaufhäusern Lüchau an der Doppeleiche, Hein­rich Marxen in der Bahnhofstraße, Bunge in der Rolandstraße oder bei Haase in der Mühlenstraße erworben werden. Schuhe kauft man in den Schuhhäusern Jacksteit (Mühlenstraße), Koopmann (Goethestraße), Schaaf (Gorch-Fock-Straße) oder Tumforde (Mühlenstraße).

Zweiter Advent

 Sport und Vergnügen - Wedel „geht aus“

An Sportstätten gibt es in den 1950ern die Sporthalle und den Sportplatz am Rosengarten (heute über­baut durch die Medac), die einstige Arbeiter-Sporthalle an der Bergstraße mit dem Sportplatz (heute Ernst-Barlach-Schule) und das erst 1953 erbaute Elbe-Stadion. Wer schwimmen gehen will, steigt in die Elbe oder fährt nach Hamburg, denn ein Schwimmbad gibt es nicht. Dennoch gibt es ein sehr reges Vereinsleben. Am Wochenende kicken die Fußballvereine (Wedeler TSV und FC Roland), es finden Turniere des Reit- und Fahrvereins auf dem Reiterplatz statt, der Tennis-Verein spielt auf seinem in Eigeninitiative errichteten Platz an der Rissener Straße, die Kegelvereine treffen sich in den Gaststätten, der Segelsport, deren Anhänger sich im SVWS organisierten, führt seine Regatten durch, aber auch der Wedeler Motorsportklub ist sehr aktiv. Dieser organisiert seine Moto-Cross-Rennen in der Kies­grube von Otto Dörner an der Holmer Straße. Zu den Veranstaltungen auf dem „Roland-Ring“ kommen weit über 2.500 Rennsportbegeisterte aus ganz Norddeutschland.

Aber nicht nur der Sport ist Anlass, aus dem Haus zu gehen. Es gibt nur wenige Fernseher und die Wohnungen sind klein, daher „geht man aus“. Aber wohin? In den zahlreichen Gaststätten, von denen etliche „Saalbetrieb“ hatten, findet das gesellschaftliche Leben statt. Hier trifft sich der Verein. Die Junggärtner veranstalten ihren Gärtnerball, der Theater-Verein bringt Aufführungen, bei der beliebten Maskerade wird eifrig getanzt. Aber auch Musikaufführungen werden dort geboten. Neben Gastspielen, u.a. der Wiener Sängerknaben finden auch heimische Chöre Möglichkeiten ihr Können unter Beweis zu stellen. In der Kirche gibt es Konzerte der Evangelischen Kantorei, des Kammerorchesters und des Kammerchores, geleitet durch den Wedeler Kantor Heinz Kegel. Darüber hinaus gibt es mehrere Kinos: die Schauburg in der Bahnhofstraße, die Roland-Lichtspiele in der Rolandstraße und im November 1957 eröffnet das Ufer-Kino in der Feldstraße.
Großen Anklang in der Wedeler Bevölkerung finden zudem der jährliche Ochsenmarkt und die beiden im Jahr stattfindenden Krammärkte. Und natürlich ist der große Zirkus Barum, der im August 1957 sein Zelt auf dem Platz an der Lindenstraße aufgebaut hat, ein Besuchermag­net. Die Direktorin, Margarete Kreiser-Barum, präsentiert in der Manege atemberaubende Trapezkunst und die Dressur von sechs Löwen und zwei Elefantendamen. Ob einen Monat später die Einladung des Evangelisten Walter Pfeiffer von der Zeltmission Wuppertal-Barmen in das auf dem Schulauer Wochenmarkt aufgebaute Missionszelt auf ebensolches Interesse gestoßen ist, ist eher unwahrscheinlich.
Eine Veranstaltung aber, die Anfang der 1950er Jahre für überregionales Aufsehen sorgt, wird wenig Jahre später endgültig sang- und klanglos beerdigt: der Schlesische Heiratsmarkt. 1952 hat Wedel die Tradition des schlesischen Ortes Gorkau-Rosaliental mit viel Idealismus übernommen, wird aber von den Auswüchsen, die dieses Spektakel am Himmelfahrtstag mit sich bringt, geradezu erdrückt. So reisen im Jahr 1954 weit über 60.000 feucht­fröhliche Vatertags-Besucher mit Sonderzügen, Extrabussen und Fähren an und sorgen für so manches Problem.

Erster Advent

Führung und Verwaltung der Stadt

Wedel zählt etwa 21.000 Einwohner, die Verwaltung des Bürgermeisters Heinrich Gau arbeitet im „alten“ Rathaus, in dem Nebengebäude am Rathausplatz und in dem noch älteren Rathaus an der Austraße.

Die Stadtvertretung besteht aus 25 Personen, nach der Gemeindewahl im April 1955 hat die SPD 12 Sitze. Weitere 11 Sitze hat der Deutschen Wahlblock Kreis Pinneberg, ein Zusammenschluss von CDU, FDP und DP (Deutsche Partei), 2 Sitze gibt es für den Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten. Den Vorsitz der Stadtvertretung hat der Bürgervorsteher Heinrich Schacht. Die verschiedenen Problemstellungen der Stadtvertretung werden in 11 Ausschüssen vorbereitet, es gilt die sogenannte Magistrats-Verfassung.

Im öffentlichen Dienst gilt die 45-Stunden-Woche und die 141 städtischen Beschäftigten haben werktags, also auch am Samstag, zu arbeiten. Aber diese sind nicht ausschließlich im Büro von Rathaus, Volkshochschule, Stadtbücherei, Schulen und Jugendheim tätig, sondern auch Arbeiter, Hausmeister, Erzieher oder Reinigungskraft. 27 Mitarbeiter sind in der Stadtsparkasse tätig, die im Januar 1956 aus dem Rathausgebäude in die Stadtsparkasse an der Gorch-Fock-Straße zieht. Die Stadtwerke haben mit ihren 46 Mitarbeitern nicht nur die Versorgung der Bürger mit Gas, Wasser und Strom im Blick, sondern sind auch für Straßenbeleuchtung und Müllabfuhr zuständig. Die Verwaltung der Stadtwerke ist seit 1951 in dem Gebäude am Rosengarten 17 zu finden, der Werkhof liegt gleich dahinter.

Darüber hinaus ist der Bürgermeister auch Chef von 10 Ärzten und 75 Mitarbeitern des städtischen Krankenhauses an der Holmer Straße 155. Weitere medizinische Versorgung im Ort gibt es durch die niedergelassenen Ärzte. Es sind 12 praktische Ärzte, eine Gynäkologin, ein HNO-Arzt, ein Hautarzt, eine Kinderärztin, zwei Ärzte für Innere Medizin und 16 Zahnärzte. Medikamente erhält der kranke Wedeler in der konzessionierten Stadtapotheke oder der Elb-Apotheke.

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