Johann Diedrich Möller - der Begründer des Industriezeitalters in Wedel

Das große Genie stammte aus kleinen Verhältnissen: Johann Diedrich Möller wurde am 16.März 1844 im Haus seiner Eltern in der Straße Hinter der Kirche 13 geboren. Sein Vater war Leineweber und Zubauer, heute würde man sagen Nebenerwerbslandwirt. J.D.M. wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf und musste schon als Kind mit anpacken, um so seinen Beitrag zum Lebensunterhalt der sechsköpfigen Familie zu leisten. J.D.M.  war ein aufgeweckter, sehr wissbegieriger Junge.

In der Schule zeigte sich sein Talent für das Zeichnen und Malen. Sein Lehrer Herr Lüthje vermittelte daraufhin dem 16jährigen J.D.M. zum April 1860 in Hamburg eine Malerlehre. Anders als heute war dies mit Kosten verbunden. Herr von Schilden, ein Vorfahr des heutigen Prinz Udo von Schöneich Carolath / Haseldorf, gewährte für seine Ausbildung einen Kredit. Während dieser Ausbildung besuchte J.D. M. den obligatorischen Kunstunterricht in der Patriotischen Gesellschaft zu Hamburg.

In seiner Freizeit nutzte er eingehend deren die Bibliothek. Besonders interessierte er sich für die Naturwissenschaften. Er studierte den Umgang und die Handhabung der damals schon gut entwickelten optischen Geräte, wie Mikroskope und Fernrohre. Seine Lehre beendete er Ostern 1864 mit Auszeichnung,  was Herrn von Schilden dazu veranlasste, auf die Rückzahlung des Darlehens zu verzichten. Danach begann er eine Ausbildung bei dem damals wohl bekanntesten Optiker Norddeutschlands, Dr. Hugo Schröder in Hamburg. Innerhalb weniger Monate lernte er Glas für optische Komponenten und Geräte, wie Linsen und Prismen herzustellen und zu bearbeiten, die dann z.B. in Mikroskope eingebaut wurden. Bald baute er sich sein erstes eigenes Mikroskop und schon wenige Monate später gründete er als 20jähriger seine eigene Firma im Haus seiner Eltern. Dies ist der Beginn des Industriezeitalters in Wedel.

Anfangs fertigte und lieferte er Linsen und Prismen an Dr. Schröder. Schon in dieser Zeit, also 1864 fing er an, systematisch den „Mikrokosmos“ mit seinen selbstgebauten Mikroskopen zu untersuchen. Besonders interessierten ihn Kieselalgen. Er hatte in der Bibliothek der Patriotischen Gesellschaft viel über diese sehr kleinen pflanzlichen Lebewesen gelesen. Kieselalgen gibt es auf der ganzen Erde in einer Formvielfalt, die man sich kaum vorstellen kann. Sie sind Einzeller und zeichnen sich durch eine besonders feste Hülle aus, in deren Inneren sich organische Material befindet. Die Hüllen bestehen im Wesentlichen aus Quarz ( SiO2) - ein Material, das praktisch nicht verwittert. Quarz ist das Anhydrid der Kieselsäure (H2 SiO4 ) – daher der Name Kieselalgen.  Wenn Kieselalgen absterben, bleiben die „Quarzschalen“ als Skelette ewig erhalten und diese Quarzschalen nennt man Diatomeen.
Abgestorbene Kieselalgen befinden sich in riesigen Mengen auf dem Meeresboden, in Seen oder stehenden Gewässern, im Schlamm und in sonstigen Lagerstätten, die vor langer Zeit mit Wasser bedeckt waren.Die Formen und Strukturen der Diatomeen sind vielfältig und höchst interessant

Sie sind mit dem menschlichen Auge – ohne Hilfsmittel – nicht oder nur schwer zu erkennen, da sie nur wenige Mikrometer groß sind. Die Vielfalt und die interessanten Formen der Kieselalgen hatten es J.D. Möller angetan. Durch Literatur über Kieselalgen und mit Hilfe der von ihm selbst gebauten Mikroskope untersuchte der damals 20jährige J.D. M. neben seiner Tätigkeit als „Unternehmer“ den Mikrokosmos. Als erstes untersuchte er Schlamm aus der Haseldorfer Marsch. Dazu mussten die winzigen Kieselalgen im Schlamm gefunden und erkannt, ausgewaschen, gereinigt und sortiert werden. Ein enormer Arbeits- und Konzentrationsaufwand, besonders unter Berücksichtigung der „Größe“ der Winzlinge. Nachdem diese zeitaufwändige Arbeit erledigt war, ordnete er unter dem Mikroskop die verschiedenen Kieselalgen auf einer Fläche von etwa 0,75 cm² nach seinen Vorstellungen zu einem symetrischen Gebilde an. Als Substrat diente ein gewöhnlicher Objektträger. Das Anordnen war jedoch nur der erste Schritt. Viel schwieriger war es, dieses Gebilde zu fixieren und haltbar zu machen. Lange Zeit hielt er seine Technik geheim, heute weiß man, dass er hierfür z.B. den optischen Kleber „Kanadabalsam“ verwendete. Ebenso ist überliefert, dass er zum Positionieren der Diatomeen angespitzte Pferdehaare genommen hat. Die auf kleinster Fläche auf einem Objektträger streng symetrisch und kunstvoll arrangierten Diatomeen nannte J.D.M. Präparate.

Er zeigte diese Kunstwerke einem befreundeten Pinneberger Arzt. Dieser war von dieser Arbeit so begeistert, dass er J.D.M ermutigte die Kunstwerke einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen bzw. diese zusammen mit den selbst gebauten Mikroskopen zu verkaufen. Dies wurde in Angriff genommen, er „fertigte“ diese Präparate, bot sie an und bald stellte sich eine rege Nachfrage ein. Abnehmer waren gut betuchte Bürger, die sich an diesen Kunstwerken in Ihrer Freizeit erfreuten. Bald waren diese Präparate als Salonpräparate im Handel, sie wurden eben in den „guten Stuben“ betrachtet. Die Nachfrage wuchs ständig. In den Folgejahren verdiente J.D.M. viel Geld mit diesen Präparaten. Es ist nachzulesen, dass er für ein Salonpräparat etwa 600 Mark erhielt. Das Geschäft lief so gut, dass bald seine Brüder Dittmer und Simon, sowie zeitweise auch sein Stiefbruder Albert mitgearbeitet haben.
Natürlich war die kleine Werkstatt im Haus seines Vaters viel zu klein geworden. Kurzzeitig zog J.D.M. Mit der Firma in ein Bauernhaus am Wedeler Rosengarten, um dann 1869 /1870 am Rosengarten 6 ein neues Gebäude zu bauen. Ständig verbesserte er die Herstellungsverfahren für seine Präparate, der  Betrieb expandierte und bald hatte er Vertretungen in Berlin und Paris. Er begann damit, nicht nur Salonpräparate für die Allgemeinheit, sondern auch Typen- und Testplatten herzustellen. Diese, in wissenschaftlichen Kreisen sehr geachteten Typenplatten und damit einhergehend die Entwicklung hoch auflösender Mikroskope, begründeten den Weltruf der Firma J.D.Möller.

Neben den Präparaten mit Kieselalgen stellte er aber auch eine große Anzahl pflanzenanatomischer, pharmakologischer, zoologischer und histologischer Präparate her.  Sie waren für Schulen, Universitäten und Institute bestimmt. Sein Ruhm und die Anerkennung in wissenschaftlichen Kreisen wuchs ständig. J.D.M. war weit über Deutschland hinaus in Europa, in den USA und auch in Russland bekannt.

Seine Begabung war aber nicht nur auf die Mikroskopie beschränkt. So sind seine photographischen Kenntnisse und Fähigkeiten für die damalige Zeit als herausragend zu bezeichnen. Schon Anfang der 1880ziger Jahre – also nur wenige  Jahre nach Erfindung der Photografie beschäftigte er sich intensiv mit dieser Materie.

Sein Wissen und seine Erfahrungen in der Photographie ermöglichten es ihm um 1890 ein neuartiges Verfahren zur Herstellung von feinsten Glasteilungen, Strichplatten und Gitter für optische Geräte und Instrumente zu entwickeln. Auch diese Komponenten erwiesen sich bald als „Verkaufsschlager“ und waren danach mehrere Jahrzehnte ein wesentliches Standbein der Firma J. D. Möller.
Der Erfindergeist und seine vielfälltige Begabung wird auch durch ein von ihm entwickeltes, neuartiges chemisches Verfahren zur Verspiegelung von Glasflächen deutlich. Mit diesem Verfahren war es möglich das Refexionsvermögen von Spiegelflächen wesentlich zu verbessern. Viele bekannte Firmen kauften das Verfahren oder ließen ihre Produkte nach diesem Verfahren bei Möller verspiegeln.
J.D.M war ein Erfindergeist, dessen Wißbegierde ein ganz breites Spektrum in der Optik, in der Kunst und Photographie, sowie der Biologie und der Botanik abdeckte. Heute würde man ihn als Multitalent und Allround Genie bezeichnen, wobei diese Begriffe nicht den Tiefgang seiner wissenschaftlichen Arbeiten wiederspiegeln. Schon Mitte der 1870 ziger Jahre gründete er am Rosengarten eine Selterswasserfabrik mit eigener Kohlensäureherstellung und einem angeschlossenem Bierverlag und dies alles neben seiner primären Tätigkeit der optischen Fertigung und der Herstellung von Präparaten. Später übernahm ein Bruder diese Fabrik.
In den 1880ziger Jahren wandte er sich auch noch dem Gemüse- und Obstanbau zu. Er legte auf dem Nachbargrundstück am Rosengarten eine Spargelplantage an. Qualtitätsverbesserungen in seinen neuen Züchtungen legten den Grundstein zum berühmten „Wedeler Spargel“, der heute noch in aller Munde ist. Für seine Gartenbauleistungen erhielt er 1897 auf der Gartenbau- ausstellung in Hamburg den Ehrenpreis des Herzoglichen Braunschweigischen und Lüneburgischen Staaatsministeriums. Desweiteren pflanzte er im großen Stil Beerensträucher an, erntete die Beeren und stellte daraus einen Beerenwein her. Diesen destillierte er zu einem Weinbrand, dessen Reifung er mit einer von ihm erfundenen Wasserstoffperoxidbehandlung ( H2O2 ) verkürzte.

Johann Diedrich Möller verstarb am  29. Oktober 1907 nach kurzer Krankheit. Er hinterliess neben einem großen Vermögen seine Witwe Johanna und die Kinder Carl, Alma, Hugo, Erna und Otto.
Leider sind seine Leistungen und seine Verdienste etwas in Vergessenheit geraten und finden auch nicht mehr das Maß an Anerkennung, das sie verdient hätten. Denn so viel ist klar: J.D.M war der erste Mann, der Wedel in der  ganzen Welt bekannt gemacht hat und gehört damit zu den bedeutendsten Männern der Stadt Wedel. Er ist der Begründer des Industriezeitalters, von dem Wedel bis heute profitiert.

J.D. Möller Serie Folge 2

J.D. Möller Serie Folge 3

J.D.Möller Serie Folge 5

www.moeller-wedel.com

 

Der Autor Rudolf de Wall

Rudolf die Wall ist Physiker und arbeitete in seiner aktiven Zeit als Entwicklungsleiter bei einem Kunden von Möller Wedel. Die Firma und ihre Persönlichkeiten faszinierten ihn derart, dass er nach seinem Eintritt in den Ruhestand begann, sich mit der Unternehmensgeschichte zu beschäftigen. Er gehört zu einer Gruppe von engagierten Forschern, die die technische Sammlung Möller Technicon betreuen und weiterentwickeln. Exklusiv für wedel.de hat er die Geschichte nachgezeichnet