Im Wiegeschritt durch den Bunker

Bei der vierten Wedeler Kulturnacht am 17. Mai dient die ehemalige Atomschutzanlage erstmals als Tanzsaal

in Wedel Marketing

Wedel. Im Bunker gehen die Lichter an. Nicht die Neonröhren, die das verwinkelte System schmaler Gänge und leerer Räume im ehemaligen Hilfskrankenhaus unter dem Johann-Rist-Gymnasium üblicherweise in ihr kaltes Licht tauchen. Im Gegenteil. Einen magischen Abend lang wird buntes Scheinwerferlicht die 35 Zentimeter dicken Betondecken färben. Tanzpaare werden sich zu den Klängen von Tango Argentino, Salsa und West Coast Swing auf dem lackierten Betonfußboden wiegen.

Bei der vierten Wedeler Kulturnacht am Sonnabend, 17. Mai, verwandelt sich das 5000 Quadratmeter große Relikt des Kalten Krieges, in dem im Falle eines Atomkriegs mehr als 1600 Menschen bis zu drei Wochen lang Unterschlupf gefunden hätten, zum ersten Mal in dem halben Jahrhundert seiner Existenz in einen Tanzsaal der etwas skurrilen Sorte. Hinter der Premiere stecken zwei Wedeler Köpfe, die sich zum ersten Mal an der Kulturnacht beteiligen, Jörg Riemer und Jörg Bolten, Inhaber der Tanzschule Riemer. "Wir halten die Kulturnacht für eine gute Sache und fanden die Idee einfach spannend, an einem so ungewöhnlichen Ort Tanzworkshops anzubieten", sagt Riemer. "Und Tanzen ist ja auch Kultur."

Im vergangenen Winter nahmen Bolten und Riemer das wohl größte Hilfskrankenhaus der alten Bundesrepublik, das hinter meist verschlossenen Toren im Dornröschenschlaf liegt, in Augenschein. "Wir waren schwer beeindruckt", sagt Bolten, "es ist ja auch ganz schön gruselig, wenn man da unten steht und sich klarmacht, zu welchem Zweck der Bunker gebaut wurde."

 

Die Musik wird aus mobilen Aktivboxen kommen, für stimmungsvolle Beleuchtung sorgen moderne LED-Bühnenstrahler in allen Regenbogenfarben. "Und dann legen wir los", sagt Riemer. "Wir lassen uns einfach mal überraschen, wer zu unseren Tanzworkshops kommt. Da sind wir ziemlich flexibel. Unser Beruf lebt von Spontaneität."

Jeweils um 19 und um 21Uhr beginnt eine "Dunkle Bunkerführung". Im gespenstischen Licht der phosphorgrünen Notbeleuchtung zeigt Bunker-Spezialist René Grassau den Besuchern unter anderem die ehemaligen Operationssäle, das Gefängnis oder die Filter- und Lüftungsanlagen der Betonburg.

 

Von 18 Uhr an werden die beiden ausgebildeten Tanzprofis mit zwei Kollegen im Halbstundentakt Workshops zu Salsa, Disco-Fox, Zumba, Knotentanz, Partytänzen, West Coast Swing, Tango Argentino und Boogie anbieten. "In 15 Minuten können wir die Tänze mit den Teilnehmern zwar nur anreißen", sagt Riemer. "Aber bei der Kulturnacht sollen die Gäste ja auch nicht lange an einem Ort verweilen, sondern möglichst viele Sachen kennenlernen und überall mal reinschnuppern."

Genau das ist das Konzept der Kulturnacht. Für fünf Euro pro Person gibt's Lesungen, Theater, Konzerte und Ausstellungen satt. Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren zahlen nichts. Von der offiziellen Eröffnung um 17 Uhr bis 23 Uhr ist Schlendern, Schnacken und Staunen an den 19 Bühnen und Veranstaltungsorten in der Altstadt und entlang der für den Verkehr gesperrten Mühlenstraße angesagt.

Das Thema Tanz wird nicht nur im Bunker, sondern überhaupt groß geschrieben bei der vierten Auflage der Kulturnacht. Auf der Hauptbühne am Roland präsentieren die Eleven des benachbarten Tanz- und Gymnastikstudios einen Tanzmix (18 Uhr) und das Stück "Die tanzenden Prinzessinnen" (19 Uhr). Direkt in den Räumen der Tanzschule wird von 20.30 Uhr an die Ausstellung "Impressions du dance 2" mit Werken von Anna Goldmund zu sehen sein.

Die Dance Academy bittet in ihren Räumen am Rosengarten 8 zu Sektempfang und Kinderprogramm (17 Uhr). Von 17.30 Uhr zeigen die Sieben- bis 14-Jährigen Breakdance und Tanztheater, es folgen Zumba-Workshops für Kinder und Erwachsene. Von 20.30 Uhr an ist dort Disco.

Auch das Musikzentrum Schulauer Hof setzt auf Tanz. Unter dem Motto "Musik für Ohren und Augen" servieren die Schüler im Ernst-Barlach-Museum eine Mischung aus Konzert und Ballett (19 und 21 Uhr).

Lateinamerikanische Rhythmen beleben die Stadtbücherei. Von 18 Uhr an tanzt dort eine Gruppe unter Leitung von Nancy Gomez, im Anschluss (ab 19Uhr) wechseln sich die Samba-Gruppe und Bands der Musikschule mit den Poetry-Slammern Sven Kamin und Jörg Schwedler ab, die ihre Ansichten zu "Kunst & Frevel" vortragen.

 

Und wer es lieber traditionell mag, könnte im Gartenhaus des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes richtig sein. Zwischen Vorführungen der Kirchturmbläser, der Akkordeongruppe Viva la Musica und plattdeutschen Stremels treten dort die Volkstanzgruppe Wedel (19 Uhr), die Juniorengruppe der Hetlinger Deerns (19.15 Uhr) und die Blankeneser Trachtengruppe (20.30Uhr) auf.

Offiziell eröffnet wird die Kulturnacht um 17 Uhr auf der Bühne am Roland durch Stadtpräsidentin Renate Palm. Im Anschluss singen Wedeler Chöre gemeinsam das Lied "Hallo, hier Wedel". Bereits um 16 Uhr beginnt das Kinderfest mit der Familienbildung auf dem Rathausplatz. Hochburg der Chöre ist das Rathaus selbst. Von 17.45 bis 20Uhr singen dort sechs Formationen, vom Chor der Altstadtschule über das Choriosum bis zum Spitzerdorf-Schulauer Männergesangverein.

Das Ensemble des Theaterschiffs " Batavia " präsentiert auf der Kulturnachtbühne am Roland Auszüge aus "Pippi Langstrumpf" (18.30 und 19.30Uhr) sowie direkt an Bord am Brooksdamm das Beste von Ringelnatz und Loriot (ab 18.30 Uhr im halbstündigen Wechsel). Von 20 Uhr an gibt es vor dem Theaterschiff außerdem Küstenrock mit der Band Landunter. Das Theater Wedel am Rosengarten 9 zeigt von 19 Uhr an Ausschnitte aus laufenden und kommenden Produktionen.

Die Gebrüder-Humboldt-Schule setzt auf Literatur und Theater. Um 19 und 20 Uhr lesen Schüler dort eigene Texte, von 21 Uhr an zeigen sie Schnitzlers Drama "Der Reigen" als szenische Lesung von Auszügen und selbst Verfasstem. Am Rist-Gymnasium dominieren Improvisationstheater und eine Kunstausstellung (jeweils ab 18 Uhr). Von 21 Uhr an singt der Oberstufenchor. ImReepschlägerhaus,Schauenburgerstraße 4, greift Gitarrist Ivo Jaklic jeweils zur vollen und halben Stunde in die Saiten.

Das komplette Programm gibt es im Internet auf www.wedelmarketing.de.

Hamburger Abendblatt/Pinneberger Zeitung

 

Letzte Änderung: 17.12.2019

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