Wärmewende: Wohin wendet sich Wedel?

Interview mit Stadtwerke-Geschäftsführer Jörn Peter Maurer zum Sachstand und zur Zukunft der Wärmeversorgung

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Mann im weißemn Hemd und Jackett vor dem Stadtwerke-Wedel-Schriftug
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Erklärte das Vorgehen zur Wärmewende: Stadtwerke-Geschäftsführer Jörn Peter Maurer.
Karte von Wedel mit den kleinen Fernwärmenetzen rund um die Blockheizkraftwerke
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Noch gibt es nur "Inseln" - aber die Stadtwerke arbeiten mit Hochdruck, um Wedels Fernwärmenetz zu erweitern.

Gasheizung nein? Fernwärme ja? Heizungstausch wann? Und was ist überhaupt ein kommunaler Wärmeplan? – Derzeit sind viele Fragen zur Zukunft des klimafreundlichen Heizens offen. Jörn Peter Maurer, Geschäftsführer der Stadtwerke Wedel, erläutert, wie der kommunale Versorger die Herausforderungen angehen will.

wedel.de: Nicht erst seit dem von der Bundespolitik geplanten Verbot von Gasheizungen hört man in Wedel immer wieder die Idee: Hier gibt es doch ein großes Heizkraftwerk, das den Westen von Hamburg mit Fernwärme versorgt. Warum schließen die Stadtwerke ihr Netz da nicht einfach an und lassen sich mitversorgen?

Jörn Peter Maurer: Die Idee liegt tatsächlich auf der Hand! Wir haben bereits vor etwa vier Jahren, kurz nach meinem Amtsantritt in Wedel, erste Gespräche hierzu mit dem Hamburger Kommunalversorger „Wärme Hamburg“ geführt, der zu den „Hamburger Energiewerken“  fusioniert ist. Uns wurde jedoch erläutert, dass ein Anschluss Wedels aus verschiedenen technischen Gründen nicht oder nur mit sehr großem Aufwand zu realisieren wäre: Denn die Temperaturen und Drücke in den Leitungen sind auf einen zig-kilometerlangen langen Wärmetransport in den Hamburger Westen konzipiert, nicht auf eine Versorgung im Wedeler Nahbereich. Sowohl Temperatur als auch Druck müssten mit hohem Aufwand gedrosselt werden, um in unserem Leitungsnetz aufgenommen werden zu können. Das wiederum würde diese Lösung ineffizient werden lassen. Zudem wollte Hamburg Wärme angesichts des absehbaren Laufzeitendes der Anlage verständlicherweise keine neuen Investitionen tätigen. Inwiefern das alte Kohlekraftwerk irgendwann einen modernen Nachfolger erhält, vermag nur Hamburg Wärme zu sagen. Und die dieses Jahr von Hamburg Wärme in Betrieb genommene Power-to-heat-Anlage ist lediglich zur Unterstützung des Hamburger Wärmebedarfes ausgelegt. Dennoch sind wir weiterhin in Gesprächen mit Hamburg Wärme, ob beziehungsweise wie wir in Zukunft eine Kooperation eingehen können, um Synergien zu nutzen.

Die Alternative?

Wir müssen eigene Erzeugungskapazitäten für die Fernwärme aufbauen, und das machen wir seit Jahren kontinuierlich. Schon 1990 haben wir unser erstes Blockheizkraftwerk an der Bekstraße in Betrieb genommen. Mittlerweile sind es zehn BHKW-Anlagen.  

Wie groß ist das Leitungsnetz und wie viele Haushalte werden aktuell versorgt?

Das Leitungsnetz ist derzeit rund sieben Kilometer lang. Bislang gibt es „Wärme-Inseln“ am Steinberg, am Langenkamp und an der Bekstraße. Rund 100 Fernwärme- plus zirka 80 Wärme-Contracting-Kunden vertrauen bereits auf das Wärmeangebot der Stadtwerke. Weil viele Mehrfamilienhäuser dazugehören, kommen wir bis dato auf rund 900 Haushalte.

Und wie steht es um die Ausbaupläne der Fernwärme?

Zur „guten alten Erdgasheizung“ gibt es – verkürzt dargestellt - nur zwei sinnvolle ökologische Alternativen: Die zentral erzeugte Fernwärme oder die dezentral, in dem Gebäude selbst installierte - ökostrombetriebene - Wärmepumpe. Der Umbau auf Wärmepumpe ist insbesondere in älteren Häusern zwangsläufig mit umfassenden Sanierungsmaßnahmen verbunden. Das ist teuer – wenn man denn überhaupt Handwerker für den Umbau findet. Die Stadtwerke Wedel setzen daher auf einen deutlichen Ausbau der Fernwärme. Um das Wärmesystem so ökologisch, effizient und günstig wie möglich zu bauen, ist eine sorgfältige, gesamthafte Planung erforderlich. Zur Wahrheit gehört aber auch: Das zukünftige Fernwärmenetz wird nicht jeden Haushalt in Wedel versorgen können. Für ein Einfamilienhaus in Einzellage, weit entfernt vom Innenstadtbereich, wäre der Netzausbau unverhältnismäßig teuer. So ein Wärmenetz kann bezahlbare Wärme nur in dichter besiedelten Ortsteilen liefern.

Der erste Schritt für die Planung ist für Wedel bereits gemacht: Die Stadtverwaltung hat in diesem Jahr die Arbeiten an einem sogenannten kommunalen Kälte- und Wärmeplan begonnen. Solch ein Konzept wird für die meisten Kommunen in diesem Jahr bundesweit verpflichtend. Die Stadt Wedel war hier deutlich schneller als andere Kommunen. Meines Wissens nach ist Wedel eine der ersten Städte in gesamt Norddeutschland, die diese Planung angehen. Wir unterstützen dabei das federführende städtische Bauamt mit unserem Know-how. Die Zusammenarbeit ist sehr fruchtbar, wir sind da auf einem wirklich guten Weg. Wenn alles nach Plan verläuft, wird das Papier möglicherweise bereits Ende 2023 vom Rat verabschiedet.. Die Festlegungen aus dem kommunalen Kälte-Wärmeplan werden dann in einen sogenannten Transformationsplan eingearbeitet, der haushaltsscharf den spezifischen Wärmebedarf und die technisch und kaufmännisch beste Lösung ermittelt, sodass es 2025 so richtig losgehen kann.

Was wird denn in so einem Wärmeplan festgelegt?

Es ist ein Generalplan, der relevante Daten über Gebäude und deren Energieverbräuche heute und mittels Abschätzungen in der Zukunft darstellt. Damit ist er das zentrale Instrument für Gemeinden, um Privathaushalte, Gewerbe, Handel und Industrie mit möglichst kostengünstiger Wärme zu versorgen und gleichzeitig die Wärme klimaneutral zu machen. Neben einer Abschätzung des zukünftigen Wärmebedarfs, beispielsweise: "Wie viele Gebäude werden saniert? , werden auch die Wärmeerzeugungspotenziale untersucht wie Geothermie, Flusswasser und andere.  

Können Sie jetzt schon etwas zu den Schwerpunkten sagen?

Wir werden hier erst einmal die Ergebnisse der Wärmeplanung abwarten. Ganz grundsätzlich gilt, dass stärker verdichtete Quartiere mit Mehrfamilienhäusern sich eher für den Ausbau der Fernwärme eignen als Einzellagen. Das ist überall so, und so wird es auch in Wedel sein. Es wird darüber hinaus voraussichtlich zuerst dort investiert, wo am schnellsten die größten Erfolge erzielt werden können. Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, zunächst unsere bestehenden Netzinseln zusammenzuschließen. Ohne vorgreifen zu wollen – eines lässt sich bereits heute sagen: Aufgrund der Bebauungsstruktur, des Alters der Gebäude und der Bebauungsdichte werden sich zumindest technisch große Teile von Wedel für eine Fernwärmelösung anbieten. Wie umfassend dann der Ausbau der Fernwärme wirtschaftlich sinnvoll erfolgen kann, hängt auch von dem Umfang und der Art der Förderung durch den Bund und das Land Schleswig-Holstein ab. Denn allen Beteiligten und politischen Entscheidern müsste eigentlich klar sein: Der vollständige Umbau eines sicheren, technisch einwandfrei funktionierenden, weil permanent gepflegten und instandgehaltenen fossilen Energiesystems kann nicht ohne umfassende finanzielle Hilfen gelingen. Denn die staatlich regulierten Netzentgelte für die Strom- und Gasnetze sind ja so berechnet, dass das Geld gerade eben reicht, um den sicheren Netzbetrieb zu gewährleisten. Parallel einen flächendeckenden Neubau eines neuen Energieversorgungssystem mit neuen Wärmeleitungen und ökologischer Energieerzeugung zu finanzieren, ist so ganz sicher nicht möglich.

Das klingt nach viel Arbeit…

Ja, sicher. Leider machen Politik und die Ministeriumsbürokratie in Berlin die Sache nicht leichter. Jeder kann in den Nachrichten sehen, welch schwere Geburt das Heizungsgesetz ist. Wir begrüßen sehr, dass das Gesetz aus dem Wirtschaftsministerium nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes noch nicht beschlossen wurde und so mehr Zeit bleibt, über unsere Verbände und Interessenvertretungen unsere Expertise einzubringen. Diese ist, so haben wir den Eindruck, bei den verantwortlichen Bundesministerien in der Vergangenheit – wie übrigens auch schon bei den Fragen rund um die Gasspeicherumlage, die Dezemberhilfe und die Energiepreisbremse – von erstaunlich geringem Interesse gewesen. Ebenso erstaunlich ist übrigens, wie wenig abgestimmt die Positionen von Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik wirken. Wir sind gespannt und stellen uns in jedem Fall wacker den anstehenden Herausforderungen. Unterm Strich ist und bleibt es unser originärer Auftrag, die Wedeler Bürgerinnen und Bürger zuverlässig mit günstiger Energie zu versorgen. Diesem Auftrag kommen wir in jedem Fall nach – innerhalb der politisch gesetzten Leitplanken.

Was empfehlen Sie Kunden und Wedeler Bürgern, die jetzt eine neue Heizung brauchen?

Unsere Empfehlung wäre: Wenn irgendwie möglich, mit der Entscheidung noch etwa ein Jahr warten! Der kommunale Wärmeplan und der Transformationsplan werden eine zuverlässige Aussage darüber geben, ob ein Anschluss an die günstige Fernwärmelösung der Stadtwerke möglich ist oder sich der Weg in die wahrscheinlich teurere und aufwändigere Individuallösung abzeichnet. Leider bewegen wir uns gerade in einer kritischen Phase des Übergangs, in der teilweise jetzt bereits Investitionsentscheidungen getroffen werden müssen, ohne die entsprechende Entscheidungshilfe in der Hand zu haben. Ein gutes Beispiel ist der aktuell im Rat beschlossene Bau einer Wärmepumpe an der Flüchtlingsunterkunft am Steinberg. Hier liegen wir mit unserer Fernwärme in unmittelbarer Nähe, aber erst mit den abschließenden Planungen und der Realisierung einer „großen Fernwärmelösung“ können wir einen entsprechenden Fernwärmeanschluss gewährleisten. Das Gute ist: Die hier jetzt eingesetzte Technik kann bei einem späteren Fernwärmeanschluss auch in anderen städtischen Immobilien weiterverwendet werden. So entstehen keine Fehlinvestitionen. Das ist natürlich bei privaten Hausbesitzern anders – hier wird eine langfristige Investitionsentscheidung getroffen, die sich nicht so eben mal korrigieren lässt. Vom Gesetzgeber hätte ich mir eine bedachtere Vorgehensweise gewünscht, die den Kunden von Beginn an mehr Planungssicherheit gegeben hätte. Wir als Stadtwerke tun jedenfalls alles dafür, dass diese Planungssicherheit zumindest aus technischer Sicht so schnell wie möglich hergestellt wird. (Jörg Frenzel/kommunikateam GmbH mit Material der Stadtwerke Wedel, 24.7.2023)

Letzte Änderung: 24.07.2023

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